Agroforstsysteme im Klimapaket 2019: mehr siehe unten.
Oder: Warum wir unseren Weg gehen (können)
Am Dienstag, 22.10.2019 werden sich Kollegen und Kolleginnen aus der Bewegung Land schafft Verbindung mit ihren Landmaschinen auf den Weg zu regionalen und überregionalen Kundgebungen machen. Sie sehen sich u.
a. durch die aktuelle Agrarpolitik in ihrer Existenzgrundlage gefährdet und möchten mit den Aktionen auf ihr wichtiges Anliegen aufmerksam machen. Tatsächlich beschränken die im internationalen
Vergleich bereits jetzt schon sehr hohen Auflagen uns Landwirte in unserer Handlungsfreiheit. Umfangreiche Dokumentationspflichten und häufig wechselnde rechtliche Rahmen- und Förderbedingungen
haben dazu geführt, dass wenig Zeit, Raum und Geld bleibt, neue (auch nachhaltigere) Methoden auszuprobieren - und wenig Sicherheit, dass einmal für gut befundene Wege auch langfristig
beschritten werden dürfen. Wir bitten daher um Verständnis für die heutigen Aktionen und unterstützen zugleich den Aufruf, mehr miteinander zu reden, anstatt übereinander.
Wir selbst haben das große Glück, die Herausforderungen unserer Zeit - Klimaschutz und Förderung der Biodiversität, um nur zwei zu nennen - auf unserem ganz eigenen Weg angehen zu können. Unser Ziel (und ureigenstes Ziel der Landwirtschaft) ist es, gute Lebensmittel zu produzieren und dabei mit der Natur zusammenzuarbeiten, denn nur so
erhalten wir unsere Flächen auf lange Sicht ertragreich und gesund. Wir lernen durch unsere Projekte und die aktuelle Forschung (Boden,
Nützlinge usw.) gerade so unglaublich viele Dinge, die in unserer Ausbildung vor Jahren noch keinerlei Rolle gespielt haben. Gerne und
regelmäßig teilen wir unsere Erkenntnisse auch mit den Kollegen (Open Source in der Landwirtschaft!) und mit Interessengruppen aus dem
Naturschutz. Diesen Weg können wir aber nur gehen, weil für uns viele besondere Faktoren zusammenkommen, die uns unterstützen und immer wieder motivieren: Da ist zum einen die große Zahl treuer
Stammkunden, die uns ihr Vertrauen schenkt und unsere Arbeit mit dem Kauf unserer Produkte honoriert. Zum anderen hilft uns (und deutschlandweit noch neun weiteren Demonstrationsbetrieben) das
F.R.A.N.Z.-Projekt mit Geld und wissenschaftlicher Expertise bei unseren
Bemühungen, einen messbaren Beitrag zur Artenvielfalt zu leisten. Nicht zuletzt sehen wir selbst im viel kritisierten Klimapaket Aspekte, die uns für die Zukunft Hoffnung machen: so z. B. das Bekenntnis zum Humusaufbau und zur
Förderung von Agroforstsystemen wie unserem Hühnerwald (siehe verlinkter Text zum Klimapaket auf S. 129).
Letzten Endes müssen wir Landwirte alle unseren Beitrag leisten. Ob wir das auch können, steht und fällt mit der Unterstützung durch Politik (Deutschland & EU) und Gesellschaft
(Verbraucher!), die die richtigen Weichen stellen müssen. Und mit der Bereitschaft aller Seiten, in einer bisweilen aus nachvollziehbaren Gründen sehr emotional geführten Debatte aufeinander
zuzugehen, einander wirklich zuzuhören und persönliche Erfahrungen und belegte Fakten abzuwägen, ohne sie gegeneinander auszuspielen. Wir wünschen uns für alle unsere Kollegen die gleiche
Wertschätzung, die auch uns persönlich in Gesprächen mit Naturschützen, Wissenschaftlern, Kunden oder auch Politikern entgegen gebracht wird - Wertschätzung und auch Vertrauen in unseren
Sachverstand und unsere Lernfähigkeit. Viele Landwirte und -wirtinnen sind sicher bereit, immer noch einen Schritt weiterzugehen, als gefordert, wenn diese (harte) Arbeit auch honoriert und
respektiert wird.
Danke fürs Lesen (langer Text, aber wichtiges Thema...)!
Und herzliche Grüße
Ihre Familie Hartmann
Wer hätte das im April 2016 gedacht, als wir unseren Hühnerwald angelegt haben? Agroforstsysteme werden 2019 erstmals von einer deutschen Regierung als wichtiger und förderfähiger Bestandteil der Landwirtschaft benannt: das Klimapaket der Bundesregierung macht's möglich: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/1679914/e01d6bd855f09bf05cf7498e06d0a3ff/2019-10-09-klima-massnahmen-data.pdf?download=1 (vgl. S. 129). Dreieinhalb Jahre bürokratisches Rumgewurschtel, um unsere Baumreihen als Bestandteil der Ackerfläche im Agrarantrag unterzubringen... Auch 2019 mussten wir uns mit Behelfslösungen zufriedengeben: Die Baumreihen sind als schmale Streifen von Kurzumtriebsplantagen angemeldet. Unter dieser Codierung funktioniert das System zwar im Agrarantrag - die positiven, flächenaufwertenden Wechselwirkungen von Agroforstsystemen (CO2-Senke, Windschutz, Wasserkreislauf, Biodiversität, Humusaufbau und mehr) berücksichtigt diese Behelfslösung allerdings nicht. Unseren mobilen Hühnern ist das alles natürlich egal. Sie erfreuen sich an ihrem naturnahen Lebensraum, dem Hühnerwald, und können den ganzen Tag ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen... Und wer weiß: vielleicht bringt das Jahr 2020 ja auch für uns etwas Gutes: Planungssicherheit für unsere nächsten Baumstreifen auf dem Acker wäre schon mal ein guter Anfang!