Anders als der Dinkel, von dem wir letzten Freitag berichtet haben, gehört Roggen zu unserem "Standardprogramm". Aber wie den Dinkel schicken wir auch unseren Roggen diesen Sommer zur Oldendorfer Mühle, damit er im Brot von Bäcker Soetebier verarbeitet werden kann. Und ebenfalls abweichend vom Standard haben wir unseren Roggen nicht "kurzgespritzt". Wir wollten eine Getreidepflanze haben, die mit vielen aktiven Wurzeln die Produkte ihrer Photosynthese über ihre Wurzelexsudate in den Boden bringt und damit die Mikroorganismen ernährt, die dann wieder die Nährstoffe aus dem Boden für die Pflanze aufschließen. Wir wollten eine Pflanze, die dank optimaler Versorgung mit Nährstoffen nicht umkippt, wie das bei den normalerweise sehr langen Halmen des Roggens oft passiert.
Also haben wir in Boden- und Blattanalysen investiert und bei der Düngung gezielt Silizium, Bor, Kupfer und Calcium ergänzt, um die Zellwände stabil zu machen. Anfangs sah auch alles gut aus: Durch den kühlen feuchten Sommerbeginn hatten wir einen guten Bestand auf stabilem Halm. Und dann kam der dicke Regen... Durch den Regen legte sich zwei Drittel des Roggens auf der gesamten Fläche um - und nicht nur das: Die Kartoffeln vom letzten Jahr fingen an durchzuwachsen, denn wieder einmal war der Winter nicht streng genug (auch wenn es uns vielleicht so vorkam). Was tun, sprach Zeus? Sollen wir mit der Ernte warten, damit der Roggen doch noch richtig abreift?
Warten würde heißen: riskieren, dass der angekündigte Regen eine Ernte unmöglich macht, denn wenn es regnet und der Roggen zu nass wird, können wir nicht dreschen. Es würde auch heißen zu riskieren, dass die Kartoffelpflanze im Roggen dank Regen prächtig gedeiht und "zumacht", also mit den Blättern den am Boden liegenden Roggen bedeckt, sodass dieser nicht abtrocknen und abreifen kann. Also doch ernten? Dazu war das Korn eigentlich noch zu feucht: damit das Roggenkorn lagerfähig ist, sollte es nicht mehr als 14,5% Feuchte haben - wir waren aber gerade bei 17,7%.
Noch ein Blick auf die gängigen Wetter-Apps und der Entschluss stand Ende letzter Woche fest: wir ernten, denn es sah doch nach zu viel Regen am Wochenende und für die kommende Woche aus. Und damit haben wir alles richtig gemacht! Das Dreschen funktionierte trotz der umgekippten Halme und der durchgewachsenen Kartoffeln vollkommen problemlos. Wir hätten fast noch den Roder rausgeholt, um die Kartoffeln auch noch zu ernten... :-D Dann kam tatsächlich wie angekündigt der Regen Samstag nacht und heute vormittag. Da lag der fertig gedroschene Roggen schon in der Trocknungsanlage, die zwar teuer ist und viel Heizöl und Strom verbraucht, uns aber die Ernte gerettet hat. Obendrein haben wir jetzt viel Stroh, das auf der Fläche bleibt und somit zum Bodenaufbau beiträgt. Also, alles gut?
Es ginge vielleicht noch besser: Auf einem Teil der Fläche haben wir für das F.R.A.N.Z.-Projekt wieder mit blühender Untersaat gearbeitet. Sie soll Insekten Nahrung bieten und für mehr biologische Vielfalt über und unter der Erde sorgen. Untersaat hatten wir versuchsweise schon in der Braugerste, in den Kartoffeln und auch im Dinkel. Wo Untersaat wächst, wird nicht gedüngt, was aber dazu führt, dass der Ertrag im Vergleich zu den ungedüngten Flächen so viel geringer ist, dass der Roggen fast unbezahlbar wird.
Trotzdem sind wir vom Prinzip der Untersaat überzeugt. Sie wird ein wichtiger Teil der Lösung bei den Themen Biodiversität, Bodenaufbau, Stickstoffmanagement und Pflanzenschutz sein. Den perfekten Mittelweg zwischen Ertrag und Aufwand haben wir da zwar noch nicht gefunden, aber das wird schon noch, da sind wir uns ganz sicher: Am Ende ist alles ist eine Frage von Nährstoffen und Gleichgewichten, und wenn das Bodenleben richtig funktioniert, kommt der Rest (fast) von allein.
Apropos Boden: Links eine Roggenwurzel von der Fläche ohne Untersaat, rechts mit. Das Bild sagt doch eigentlich alles, oder? Wir haben beim ersten Bild geschrieben, dass wir die Wurzelfunktion des Roggens fördern möchten, um ihn zu einer stabilen, widerstandsfähigen Pflanze zu machen. Hier sieht man, was damit gemeint ist: Die Wurzeln rechts sehen aus wie "Dreadlocks". Der üppige Erdanhang zeigt, dass das Wurzelwerk intensiv mit der Bodenbiologie kommuniziert. Die hat in der sogenannten Rhizosphäre in einem Bereich von weniger als 1 mm um die Wurzel ihre höchste Aktivität. Dort aktiviert die Pflanze ganz bestimmte Mikroorganismen (vor allem Bakterien und Pilze), und zwar genau die Arten, die die jeweilige Pflanze braucht. Ist keine Pflanze im Boden, ruht ein Großteil der Biologie im Boden und macht "nix"... Erst wenn eine Wurzel kommt, die zu den Mikroorganismen passt, werden diese aktiv. Darum sind vielfältige Untersaaten und breite Fruchtfolgen so wichtig, denn sie erhöhen die Biodiversität unter der Erde, indem sie permanent die unterschiedlichsten Mikroorganismen aktivieren.
Das Ende vom Lied: Obwohl uns der Roggen umgekippt ist, das Geld für die Analysen in der Kasse fehlt, der Ertrag auf der Untersaatfläche geringer ist, das Getreide in die Trocknung musste und uns die Lösung gegen Kartoffeldurchwuchs immer noch fehlt, haben wir auch auf diesem Acker wieder reichlich Erfahrung geerntet, und davon kann man nie genug bekommen! Wir bleiben dran und alles bleibt spannend...