Heute ist wieder unser Jahresrückblick dran. Wie in den Jahren zuvor haben wir dazu unsere Posts hier und auf unserer Facebook-Seite durchgesehen, um nochmal Revue passieren zu lassen, was, abgesehen von Corona, so alles passiert ist (gar nicht so wenig) und mit welchen Lösungen wir versucht haben, Antworten auf die für uns entscheidende Frage zu finden. Das ist die Frage danach, wie wir hochwertige und gesunde Lebensmittel produzieren können und dabei gleichzeitig die Biodiversität (über und unter der Erde), das Tierwohl und den Klimaschutz fördern. Und weil diese Frage für uns so entscheidend ist, soll sie im Mittelpunkt dieses - etwas anderen - Jahresrückblickes stehen!
Eine Frage, die mit der ersten quasi untrennbar verbunden ist, hat uns auch in diesem Jahr ständig begleitet. Sie lautet: "Warum tun wir uns das eigentlich an?"
Oder konkreter: Warum halten wir unsere Hühner im Freien, obwohl wir an Tagen wie heute bei der Fahrt durch den Hühnerwald mit dem Betriebswagen im Matsch stecken bleiben (dabei wollten wir doch nur noch eben die Eier holen und dann auch mal die Füße hochlegen und es uns gut gehen lassen - es ist schließlich Silvester!)? Warum verteilen wir unsere Hühner auf sieben mobile Ställe, anstatt sie einfach alle zusammen in einen großen Stall zu sperren (was uns den Umgang mit der aktuellen Vogelgrippegefahr erheblich erleichtern würde)? Warum verlieren wir so viele Hühner an den Habicht, obwohl doch so viele Bäume und Büsche da sind, unter denen die Tiere sich verstecken könnten (und sogar noch ein paar Alpakas zum Aufpassen)? Warum geben wir auch dieses Jahr wieder Unmengen unseres hart verdienten Einkommens für Blühmischungssaatgut aus, das dann zur Erntezeit keinen Ertrag bringt? Warum versuchen wir mit Mulch, Untersaaten, aufwändigen Analysen und gezielten Mikro-Nährstoffzugaben den Boden für unsere Kartoffelpflanzen optimal vorzubereiten, wenn die Frühkartoffeln dann trotzdem nicht stark genug sind, dem Fäulnisbakterium Erwinia etwas entgegenzusetzen? Warum pflanzen wir Tausende von Bäumen auf unseren wertvollen Ackerflächen, obwohl wir dadurch Anbaufläche verlieren (und damit auch einen Teil unseres Einkommens)? Warum diskutieren wir mit der Politik über das Töten von Eintagsküken, aber kaum jemand fragt, wie sinnvoll es ist, mit den sogenannten Bruderhähnen noch mehr Fleisch zu produzieren (wo doch eigentlich alle weniger Fleisch essen wollen)? Warum stellen wir für die Spaziergänger in der Feldmark Erklärschilder auf (die wir selbst und mit viel Liebe gestaltet haben, um damit um Rücksichtnahme auf die Natur zu bitten), wenn diese Schilder dann immer wieder umgeworfen werden und die Menschen am Ende doch über die Schutzflächen laufen?
Ja, warum eigentlich? Nun, weil der weitaus größte Teil unserer Nachbarn hier in der Feldmark von Rettmer sich umsichtig verhält, um die Tiere (Rebhuhn bis Regenwurm) und Pflanzen (Lichtnelke bis lila Phacelia) nicht zu stören. Weil wir merken, wie sehr unsere Kunden es zu schätzen wissen, dass wir nicht jedes Bakterium und jedes Unkraut sofort mit der Giftspritze vernichten. Weil wir merken, wie fit und robust unsere Hühner (normale "Standard-Legehennen") dank Hühnerwald, Wind, Wetter und gutem Futter sind. Weil es einfach schön ist zu beobachten, wie unsere Hühner Sommer wie Winter einfach nur "normale Hühner" sein können (und einfach tun, was ein Huhn eben so tut). Weil uns unsere Kunden immer wieder versichern, dass die Eier dieser Hühner einfach ihren Preis wert sind, denn unsere besondere Form der Hühnerhaltung ist eben auch sehr aufwändig. Weil wir durch Menschen, die unsere Arbeit schätzen und fördern möchten, auch in diesem Jahr wieder knapp 700 neue Bäume auf einem unserer Äcker pflanzen konnten. Weil uns bei scheinbaren Kleinigkeiten wie dem Nest einer Feldlerche (alle Küken sind flügge geworden!) oder Schwebfliegen in der Untersaat des Getreidefeldes (wunderbare Nützlinge!) einfach das Herz aufgeht. Weil wir Kollegen anstecken, wenn wir ihnen mit leuchtenden Augen über das Summen und Brummen auf unseren kilometerlangen Beetle Banks und in den Blühstreifen erzählen (wildes Gestrüpp auf den ersten Blick - auf den zweiten aber voller Leben!). Weil wir uns von Wissenschaftlern und Naturexperten anstecken lassen, für die jeder Falter, jedes Bakterium, jeder Pilz, jedes lebende und Tote "Ding" seine ganz eigene Rolle in unserem Ökosystem hat. Weil wir nach 19 Generationen auf unserem Hof, mit unserem Land, unserem Boden, unserer Um-Welt einfach eine Verantwortung für die nächsten Generationen haben.
Darum eben. Darum gehen wir diesen Weg, darum "tun wir uns das alles an". Und wir tun es gern. Weil wir wissen, warum wir diesen Weg (gemeinsam mit Ihnen!) eingeschlagen haben. Ja, es gibt Steine auf diesem Weg, aber vielleicht sind das nicht immer Hindernisse, sondern Meilensteine - die man nur nicht auf den ersten Blick erkennt (vielleicht ja auf den zweiten - z. B. beim Scrollen durch unsere Beiträge).
In diesem Sinne: Schauen Sie doch selbst nochmal zurück auf Ihr Jahr! Vielleicht gab es ja auch Hindernisse auf Ihrem Weg, die sich beim Blick zurück als Meilensteine entpuppt haben - und falls nicht, ist das vielleicht nur ein "noch nicht". Das wünschen wir Ihnen von Herzen! Bleibt für dieses Jahr nur noch zu sagen: Danke, dass Sie uns weiter auf diesem Weg begleiten. Danke für Ihr Vertrauen, für den motivierenden Zuspruch und fürs Lesen dieses endlosen Beitrags... Wir wünschen Ihnen und uns allen ein wundervolles, ereignisreiches und mit vielen guten Schritten in die richtige Richtung gesegnetes Jahr 2022!
Ihre Familie Hartmann - und alle, die dazugehören.